Es ist beinahe zehn Jahre her, als ich im Monat April ein Frühlingserwachen herbeisehnte. Inzwischen ist es so, dass ich den Winter vermisse. Ich empfinde das als einen gewaltigen Einschnitt, dessen kulturhistorische Bedeutung zurzeit kaum Beachtung findet. Zu sehr ist die organisierte Öffentlichkeit damit beschäftigt, an die Eigenverantwortung des Verbrauchers zu appellieren, dessen ursächliche Schuld am Klimawandel als ausgemacht gilt, als das die wahren Schmiede der Misere, die nun auch noch mehr Geld verdienen, zur Verantwortung gezogen werden. Aber so funktioniert nun einmal Wirtschaft und Politik.
Die „Krise“ muss wieder einmal dafür herhalten, um zu erklären, dass wir unverantwortlich gelebt haben und es mal wieder an der Zeit ist, den Gürtel enger zu schnallen. Wir alle zusammen natürlich. Schließlich sitzen wir ja alle im gleichen Boot.
In der Tat gibt es eine Mitverantwortung der Konsumenten. Das sagt jedoch noch nichts über den Anteil aus, den der Verbraucher am Klimawandel tatsächlich hat. Darüber soll und wird vermutlich auch nicht geredet werden. Wir üben uns also im solidarischen Schweigen. Ich möchte aber nicht schweigen und zumindest auf die kulturhistorische Dimension, den der Verlust der winterlichen Jahreszeit mit sich bringt.
Im Volkslied „Der Winter ist vergangen“ überwiegt die Freude. So wie das tatsächliche Frühlingserwachen im Jahre 2010 auch mich erfreute. In diesem Frühjahr muss voraussichtlich kein Winter ausgetrieben werden. Die Dämonen der kalten Jahreszeit sind geschwächt und haben sich nahezu vollkommen zurückgezogen. Das Ausmaß ihres Verschwindens kann ich aktuell nur erahnen. Aber schon bald wird kaum noch jemand die Bedeutung eines Volkslieds verstehen, in dem der Abschied vom Winter begrüßt wird. Auch mein Bild „Frühlingserwachen“ wird auf Unverständnis treffen. Wie schnell doch die Zeit vergeht.
Kommentar schreiben