Die Moderne Malerei, wie wir sie kennen oder vielmehr mittels kunsthistorischer „Expert*innen“ vermittelt bekommen, ist ein Mythos. Sie bildet im besten Fall die Oberfläche einer Epoche der bildenden Kunst ab, deren wesentliche Brüche und Widersprüche unter der Kategorie Moderne verborgen bleiben.
Museen, Kurator*innen, Sammler*innen und nicht zuletzt zeitgenössische Künstler*innen beziehen sich auf eine Moderne, die lediglich äußere Merkmale beschreibt und damit vorwiegend Form und Farbe der Malerei ins Visier nimmt. Gewissermaßen gilt damit der Schein einer impressionistischen, expressionistischen und kubistischen Malerei als maßgebend, die folgerichtig in einer informellen und abstrakten Malerei mündet.
Der ab 1947/48 einsetzende Siegeszug der abstrakten Malerei, die die „freie Kunst“ des kapitalistischen Westens gegenüber der in sozialistischen Staaten praktizierten „realistischen Kunst“ manifestierte, bildet bis heute das Fundament einer für gewöhnliche Menschen kaum noch nachvollziehbaren Auffassung zeitgenössischer Kunst, welche ich dem Wesen nach als beliebig und sinnentleert beschreiben würde.
Da „wir“ uns nun aber von den althergebrachten Formen und Farben „befreit“ haben, bleibt uns letztlich nur die Leere eines nicht einmal mehr grundierten Malgrunds. Das gilt allerdings nur so lange, wie wir uns dem Mythos einer Modernen Malerei unterordnen, die all jene Aspekte außer acht lässt, die jenseits von Form und Farbe von Bedeutung waren und sind.
Das Wesen der Modernen Malerei beruht vielfach auf Aneignungen fremder Kunstwerke wie die von Künstler*innen „primitiver Völker“ oder den künstlerisch aktiven Insassen europäischer Irrenhäuser, von denen nur wenige das Euthanasie-Programm der Nazis überlebten. Während im imperialistischen Zeitalter einige wenige imperialen Mächte globalen Raubbau betrieben, eigneten sich Moderne Künstler*innen die Ausdrucksformen kolonialisierter und beraubter Völker sowie die der von der Außenwelt isolierten Geisteskranken an. Edvard Munchs berühmter „Schrei“ ist nur ein Beispiel für eine derartige „Raubkunst“, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Werk des zwangssterilisierten „Idioten“ Wilhelm Werner „entlehnt“ war, der 1940 dem „nationalsozialistischen Krankenmord“ zum Opfer fiel.
Sicherlich lässt sich nicht jedes Moderne Kunstwerk auf den Aspekt der Aneignung bzw. Kopie „primitiver“ und geisteskranker Künstler*innen reduzieren. Gleichwohl ist es eine Seite der Moderne, die gerne übersehen wird und nicht zuletzt den Mythos genialer Künstler*innen ermöglichte. Letztlich ist es auch nicht ein alleiniges Merkmal der Moderne, fremde Werke als die eigenen zu verkaufen. Das zeigen schon literarische Frühwerke Goethes aus der Sturm und Drang-Zeit, die dem Dichtergott zugeordnet wurden, aber genauso gut der später an Schizophrenie erkrankte Jakob Michael Reinhold Lenz geschrieben haben könnte.
Es wird Zeit, den Mythos der Moderne zu entzaubern. Und ehrlich gesagt: es fängt an, mir Spaß zu machen.
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