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Der kleine Harlekin

Ein kleiner Harlekin mit gruen-rotem Kostuem sitzt allein und verlassen auf der Erde.
Der kleine Harlekin, Acryl auf Leinwand, 80 cm x 100 cm, 2014

Mein Bild „Der kleine Harlekin“ ist ein Selbstporträt, das ich 2014 nach einem Kinderfoto gemalt habe. Das Foto zeigt mich während der Karnevalszeit. Anders als beim Gemälde wurde ich vor unserem Röhrenradio abgelichtet, über dem jener Fernseher thronte, den meine Eltern im Jahr meiner Geburt erworben hatten. Das war für meinen Harlekin nicht von Belang. Also platzierte ich meinen kleinen Harlekin von seiner gewohnten Umgebung „befreit“ auf der Erde sitzend.

 

Das beschreibt in etwa auch den thematischen Hintergrund meines Harlekin-Bildes: ein kleiner verlassener Mensch, der aus seiner gewohnten „befreit“ oder vielmehr herausgerissen erscheint. Als ich das Bild malte, wurden in mir Erinnerungen an verlassene Plätze wach, wo kurz zuvor noch das bunte Treiben eines Zirkus oder eines Jahrmarktes diese Orte bestimmt hatte. Die Musik, das Gelächter des Publikums, die Spannung bei gefährlichen Vorführungen der Akrobaten, der Geruch von domestizierten wilden Tieren waren plötzlich verschwunden. Von einem Tag auf den anderen. Bisweilen waren noch einzelne Wagenanhänger zu sehen, die auch bald und auf geheimnisvolle Weise verschwinden würden. Auch mein kleiner Harlekin wird bald und ebenso geheimnisvoll von der Bildfläche verschwinden. Doch bevor das unweigerlich geschehen würde, hielt ich ihn auf meinem Bild fest.

 

Das Leben der Zirkusleute und Schausteller der Jahrmärkte ist romantisch verklärt. Für ihren harten Existenzkampf, den die meisten bereits verloren haben, interessiert sich kaum jemand. In dieser Hinsicht ist ihre Situation vergleichbar mit den landlosen Bauern und den aus ihrer natürlichen Umgebung vertriebenen Menschen aus den Bergen, den Wäldern und Wüsten dieser Welt. Deren Lebensweise allenfalls als eine vergangene, verlorene, oder euphemistisch ausgedrückt als eine überwundene Lebensweise wahrgenommen wird. Aller Lebensgrundlage beraubt vegetieren sie nun am Rande unserer Müllplätze, verdingen sich als Tagelöhner für Großgrundbesitzer und Minenbetreiber unter Einsatz ihrer Gesundheit und nicht selten ihres Lebens ein karges Einkommen. Auf der Suche nach Alternativen setzen sie ihr Leben auf der Flucht in „zivilisierte Gesellschaften“ auf Spiel, die sich ihrer Ressourcen bediente, aber die Folgen des Raubbaus nicht zu zahlen bereit sind.

 

 

Die Industrialisierung und die heutige Digitalisierung sind verantwortlich für das millionenfache Elend dieser Menschen, einer zunehmend zerstörten Natur, zerstörten Lebensgrundlagen und Kulturen, die als primitiv beschrieben werden. Zugleich handelte es sich um Ordnungssysteme gemeinschaftlich denkender und arbeitender Gesellschaften, die wir, bevor wir sie verstanden haben, zerstörten. Ob eine Umkehr dieser von Menschen verursachten Katastrophe möglich ist, hängt auch davon ab, diesen kolonialen und imperialen „Zivilisationsprozess“ in seiner historischen und aktuellen Dimension wahrzunehmen. Wohl wissend, dass in diesem Augenblick ein kleines Kind jene seltene Erden unter Lebensgefahr irgendwo auf der Welt aus der Erde klaubt, damit ich auch morgen noch, derartige Beiträge schreiben und im Internet veröffentlichen kann.

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