Ich habe vergessen, was vor vier Jahren der Anlass für mein Bild „Deutsches Kasperletheater“ war. Inzwischen ist mir bewusst geworden, dass das Bild zeitlos geworden ist. Es sei denn, Deutschland hörte auf zu existieren. Ich gehöre nicht zu den Auserwählten, die tagespolitische Ereignisse tagtäglich kommentieren könnten. Selbst wenn ich es könnte, würde es mich ob der vielen Wiederholungen langweilen. Insofern verzichte ich darauf, einen aktuellen Bezug herzustellen. Das können andere vermutlich weit besser als ich.
Kasperle ist eine komische Figur innerhalb des deutschen Sprachraums. Vermutlich geht er auf die Hanswurst-Figur des Wiener Volkstheaters zurück. Die naiv gezeichnete Kasperlefigur handelt spontan und nicht selten brutal. Er trägt eine für ihn charakteristische Zipfelmützte, ist mit einer sogenannten Pritsche bewaffnet und ist wie die Harlekin-Figur bunt gekleidet. Auffällig ist auch sein grinsendes Gesicht und eine übergroße Nase.
Das Publikum des ursprünglichen Kasperletheaters bestand vornehmlich aus Jugendlichen und Erwachsenen und war weit entfernt von einem pädagogischen Theater, das sich heute beinahe ausschließlich Kindern zuwendet. Das Original eignete sich wenig zur Kindererziehung und diente aufgrund seiner grenzenlosen Gewalt, die sich hauptsächlich gegen Polizisten, Krokodile, Tod und Teufel richteten, als Ventil für die angestauten Aggressionen und der Wut auf die Obrigkeit.
Was bleibt uns heute, wenn wir uns über die Obrigkeit ärgern? Den Kasperle haben sie uns genommen und in die Welt der Kinder verbannt. Aber vielleicht hat uns der Kasperle von heute wieder zu Kindern werden lassen. Staunend beobachten wir einen Kasperle, der uns, sich mit Polizisten, Tod und Teufel vereint, in den Bann eines gefräßigen Krokodils zieht.
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