Ich komme von der „Schäl Sick“, der in Flussrichtung gesehenen rechten Rheinseite. Die „Schäl Sick“ wird mit „scheele, falsche Seite“ übersetzt. Historisch betrachtet lag die „Schäl Sick“ jenseits des römischen Einflussbereichs und dem im Römischen Reich verbreiteten Christentums. Insofern wurde die „Schäl Sick“ auch mit dem Heidentum germanischer Stämme und dem einäugigen Odin/Wodan verbunden. Gleichwohl lässt sich die „Schäl Sick“ mit „blinder“ oder „fremder Seite“ übersetzen, weil es sich der Perspektive der linksrheinischen Christen um ein unbekanntes Land handelte, deren Bewohner ebenso fremd waren wie die Religion, die sie pflegten.
Obwohl ich weiß, dass ich in einem rechtsrheinischen Ort aufwuchs, weiß ich dennoch wenig bis gar nichts über die kulturellen Wurzeln meiner Vorfahren. Es fängt schon damit an, dass ich nicht ausschließen kann, ob meine Vorfahren im Laufe der Geschichte die Flussseite wechselten. Das mag aufgrund der gegenseitigen Vorurteile kaum der Fall gewesen sein. Ausschließen kann ich es trotzdem nicht. Hinzu kommt die Möglichkeit, dass meine Vorfahren irgendwann zugewandert waren und eine von beiden Rheinseiten abweichende Religion und Kultur mitbrachten.
Ob ich also christliche oder heidnische Vorfahren gehabt habe, kann ich heute wohl kaum noch feststellen. Eventuell könnte ein DNA-Test weiterhelfen oder die Verwirrung noch vergrößern. Doch letztlich ist mir das egal, weil die heutige christliche Religion ebenso heidnische Elemente aufweist, wie die heidnische Religion, oder das was wir darüber heute zu wissen glauben, christlich überlagert wurde.
Allein die Vielzahl an katholischen Heiligen spricht für ein paganes Erbe des Römischen Reiches. Wohingegen der Untergang der rechtsrheinischen Götter mit der christlichen Idee einer paradiesischen Neuordnung verbunden ist.
Doch nicht allein der Unterschied zwischen Christentum und Paganismus ist heute kaum noch auszumachen. Hinzu kommen die Mythen über verschiedene Göttergeschlechter, wie die der Wanen und Asen, die auf Kämpfe zwischen verschiedene Götterverehrungen hinweisen. So wie alte Religionen und ihre Götter von Neuen verdrängt wurden, oder je nach Region oder sozialer Stellung Thor oder Odin/Wodan als der höchste Gott angesehen wurde.
Woher ich komme, wohin ich gehe, hängt letztlich von dem ab, was ich von den kaum lesbaren Spuren der Vergangenheit in meine Gegenwart und Zukunft mitnehme. Es ist quasi eine Glaubenssache, oder?
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