So oder ähnlich könnte die Antwort auf die Frage lauten, was denn der Gegenstand des Abstrakten, konkret, der abstrakten Malerei sei? Das Konkrete, im Sinne von sinnlich wahrnehmbar und in gewisser Weise auch greifbar, ist die Farbe. Sie ist stofflich, besitzt also Substanz. Die Grundlage für ein abstraktes Bild ist das Konkrete in Form der Farbe. In der Malerei ist eine Abstraktion von Form und Inhalt ohne Farbe bzw. andere bindungsfähige Substanzen schlecht möglich. Aber diese „Weisheit“ zielt nicht darauf ab, abstrakte Malerei als nicht möglich zu erklären, weil die dabei zu verwendende Farbe konkret ist. Vielmehr geht es mir darum, den Sinn und Unsinn abstrakter Malerei zu ergründen.
Menschen, die Farben form- und inhaltslos auf den Malgrund bringen, müssen sich nicht zwingend als Künstler abstrakter Malerei verstehen. Es genügt ihnen, dass sie dabei Spaß haben und dann und wann etwas entsteht, das dekorativ genug ist, sich an die Wand zu hängen. Andere wiederum machen im Prinzip nichts anderes, bezeichnen es aber als Kunst.
Die Künstler des Tachismus, des Abstrakten Expressionismus oder Action Painting behaupten eine Malerei zu betreiben, die deren spontanen Empfindungen, ihr Unbewusstes jenseits rationaler Kontrolle auf die Leinwand bringen würden. Die Idee von einer „Malerei des Unbewussten“ muss meines Erachtens jedoch bereits an der Farbwahl scheitern.
Wie sich bereits in anderen Kunstrichtungen wie dem Fauvismus und Expressionismus abzeichnete, dienten einigen Künstlern die Erneuerungen der Kunst dazu, von ihrer fehlenden Begabung und das Fehlen handwerklichen Könnens abzulenken. Doch selbst in der abstrakten Malerei ist Dilettantismus ebenso erkennbar wie eine künstlerisch gekonnte Abstraktion.
Die verschiedenen Richtungen abstrakter Malerei, die sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelten und als integraler Bestandteil der Moderne gilt, bemühten sich darum sich deutlich voneinander abzugrenzen. Dafür führten sie Kategorien wie expressiv, geometrisch, lyrisch oder konstruktiv auf, die teils deutlich sichtbare Unterschiede markierten.
Die Begriffe abstrakt und konkret sind historisch gesehen Produkte einer christlichen Theologie, die zur Beweisführung des Göttlichen dienten. Piet Mondrian lässt sich in diesem Zusammenhang als Vertreter einer geometrisch-abstrakten Kunst ausmachen, die für ihn mehr eine Religion als eine Kunstform war.
Bei vielen Gemälden des englischen Künstlers William Turner (1775-1851) fällt es schwer, einen gegenständlichen Bezug herzustellen. Allerdings galt dabei sein Augenmerk sichtbaren Erscheinungen der Natur, dem Licht und der Atmosphäre. Die Art, in der Turner die Erscheinungen wie Feuer, Wasser und Luft auf die Leinwand brachte, übte starken Einfluss auf die Künstler des Impressionismus aus. Turners Kunst jedoch als abstrakt zu bezeichnen, verkennt den Gegenstand seiner Malerei.
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